Kurrentschrift
- formvollendetes Schreibrelikt vergangener Zeiten
Seid ihr auch schon einmal über alte Dokumente gestolpert oder habt im Nachlass von Verwandten Briefe, Postkarten beziehungsweise Tagebuchaufzeichnungen gefunden, mit einer Schrift, die zwar wunderschön anzusehen, aber einfach unlesbar war?
Falls eure Verwandten vor oder bis Anfang der 1940er Jahre die Schulbank gedrückt haben, handelt es sich hierbei ziemlich sicher um Kurrentschrift oder um die Sütterlinschrift (eine spezielle Variante der Kurrent), die ab 1911 in den Schulen Deutschlands Einzug hielt.
Info:
Karl Ludwig Sütterlin entwickelte 1911 eine Variante der Kurrentschrift, die sogenannte Sütterlinschrift, mit breiteren und senkrechter stehenden Buchstaben.
Kurrent war lange Zeit Verkehrsschrift
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die Kurrentschrift im deutschen Sprachraum die Verkehrsschrift schlechthin – und das eine ganz schön lange Zeit hindurch. Immerhin nahm sie ihren Anfang im 16. Jahrhundert in der spätmittelalterlichen gebrochenen Schrift "Bastarda" und blieb dann, von wenigen Modifikationen abgesehen, über Jahrhunderte hinweg so wie sie war: verbunden und schräg stehend - und daher flink zu schreiben.
Und so prägten Kurrent und letztlich auch Sütterlin bis zu ihrem Verbot durch die Nationalsozialisten die Handschrift der österreichischen und deutschen Bevölkerung – Heerscharen von Kindern übten sich in den Volks- und Grundschulen in der laufenden Schrift (lat. currere bedeutet laufen). Abgelöst wurde die Kurrentschreibweise 1941 durch die Deutsche Normalschrift - eine Variation der lateinischen Schreibschrift. Länger überlebt hat Kurrent nur im Schönschreibunterricht, der sowohl in den Volksschulen sowie Gymnasien Österreichs noch bis in die 1960er Jahre Bestandteil des Lehrplans war.
Was macht diese Schrift so besonders?
Die Kurrentschrift gehört zu den gebrochenen Schriften, denn im Gegensatz zur runden lateinischen Schrift, hat sie auch spitze Winkel (Spitzschrift). Diese zeichnet sich durch spitze Winkel, aber auch durch ihre vielen Rundungen aus. Um die Kurrentschrift auf Papier zu bringen, verwendete man anfangs einen Federkiel und später Bandzugfedern. Die Verwendung von Bandzugfedern führte dazu, dass richtungsabhängige Änderungen der Strichstärke auftraten. Erst im 19. Jahrhundert begann man diese Schrift mit einer Spitzfeder aus Metall zu schreiben, welche die Hand zu einer bestimmten Schreibhaltung zwang. Die Schrift wurde dadurch noch schräger und die Kurrentschrift veränderte sich erneut.
Unerlässlich in der Ahnenforschung
Heute übt das Kurrent-Alphabet auf viele eine Faszination aus, obwohl - oder gerade weil - es so schwer ist, die Schrift zu lesen. Das übrigens nicht nur, weil einige der Buchstaben völlig anders aussehen als unsere lateinische Schriftzeichen, sondern auch, weil die Schrift insgesamt in aller Regel filigran und klein gehalten – um nicht zu sagen gefizzelt – wurde.
An Ahnenforschung Interessierte können davon ein Lied singen. Nicht selten müssen Sachkundige hinzugezogen werden, um Stammbäume, Urkunden, Taufregisterauszüge und dergleichen zu entziffern. Da wäre es vielleicht eine Überlegung wert, die alte Schrift gleich selbst zu erlernen?
Unser Tipp:
Häufig bieten noch Volkshochschulen Kurrentschrift-Kurse an, aber auch Schriftmuster zum Herunterladen für‘s Selbststudium finden sich etliche im Internet (beispielsweise www.kurrent.de).
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